Meinung am Montag: Das Wahljahr 2017, offene K-Fragen, die Erfolge der AfD, der Zwist innerhalb der EU und die Probleme großer Koalitionen – darüber hat die Rheinpfalz mit zwei Ludwigshafener Nachwuchspolitikern gesprochen: Maximilian Göbel von der Jungen Union (JU) und Christoph Bätz von den Jungsozialisten (Jusos).

Meinung am Montag: Das Wahljahr 2017, offene K-Fragen, die Erfolge der AfD, der Zwist innerhalb der EU und die Probleme großer Koalitionen – darüber haben wir mit zwei Ludwigshafener Nachwuchspolitikern gesprochen: Maximilian Göbel von der Jungen Union (JU) und Christoph Bätz von den Jungsozialisten (Jusos).

Lassen Sie uns mit Blick auf 2017 über einige K-Fragen sprechen: Herr Bätz, Sigmar Gabriel oder Martin Schulz? Wer soll für die SPD als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl ziehen?
Bätz: Ich plädiere eher für Martin Schulz, weil seine Sympathiewerte besser sind. Mit Blick auf seine Position als Präsident des EU-Parlaments besitzt er außerdem die Fähigkeit, durchzugreifen und sozialdemokratische Themen besser zu platzieren.

Herr Göbel, wer sollte die CDU anführen? Amtsinhaberin Angela Merkel oder Ministerin Ursula von der Leyen?
Göbel: Ganz klar: Frau Merkel. Auch wenn die CDU zuletzt innerparteilich ihre Schwierigkeiten hatte, glaube ich, dass Merkel im Wesentlichen die richtigen Entscheidungen getroffen oder ihren Kurs entsprechend korrigiert hat. Sie hat Visionen für eine langfristige Entwicklung Europas. Mit ihrer Beliebtheit im Volk wäre sie die bessere Kandidatin.

Merkel war schon mal beliebter.
Göbel: Mag sein, aber die Probleme waren auch schon mal einfacher.

Die Ludwigshafener Genossen haben die K-Frage zur Oberbürgermeisterwahl mit Jutta Steinruck bereits beantwortet. Wer sollte aus Sicht der JU für die CDU ins Rennen gehen?
Göbel: Die SPD hat sich sehr früh festgelegt. Bei Amtsinhaberin Eva Lohse gab es zuletzt familiäre Veränderungen. Sie wird sich Mitte November äußern. Ihre Entscheidung werden wir respektieren. Lohse hat in den vergangenen 15 Jahren sehr viel für Ludwigshafen erreicht, die Stadt weit über ihre Grenzen hinaus sehr gut vertreten und eine erfolgreiche Politik gemacht hat. Mit ihr hätte die CDU sicher die besten Chancen.

Herr Bätz, teilen Sie diese Meinung oder muss tatsächlich ein frischer Wind durch die Rathausflure wehen, wie das Jutta Steinruck fordert?
Bätz: Derzeit arbeiten die Dezernate mehr gegen- als miteinander. Die Zuständigkeiten sollten künftig besser durch die Oberbürgermeisterin abgestimmt werden, damit weniger Geld zum Fenster hinausgeworfen wird. Insofern ist es schon sinnvoll, wenn ein frischer Wind durchs Rathaus weht. Steinruck geht beispielsweise bei ihren Stadtteilforen direkt auf die Menschen zu und begreift besser, was die Leute wollen.
Göbel: Fairerweise muss man dazu sagen, dass Ludwigshafen in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten einen großen Wandel vollzogen hat. Die Stadt hat sich zum Rhein hin geöffnet. Wir haben eine wunderbare Uferpromenade. Es ist viel von Privathand investiert worden und die Bevölkerung wächst. Ludwigshafen hat sich für alle Gesellschaftsschichten zum attraktiven Wohnort entwickelt. Es wurde viel bewegt. Aber natürlich stehen wir mit Blick auf die Haushaltslage vor großen Herausforderungen, die allein in der Stadt nicht zu lösen sind. Dazu kommt der Abriss der Hochstraße Nord – ein Riesenprojekt, das viele Chancen bietet, aber auch gut gemanagt werden muss. Dazu braucht es Erfahrung. Den Bürgerbeteiligungs- und Planungsprozess hat OB Lohse mit den zuständigen Dezernaten sehr gut organisiert.
Bätz: Die Kommunikation zum Hochstraßenabriss wurde auch vonseiten der SPD vorangetrieben. Ich hoffe, dass diese Kommunikation dazu beiträgt, dass das Ganze nicht so endet wie bei Stuttgart 21.

Als ich in Ihrem Alter war, also Mitte der 90er-Jahre, sah die Welt noch etwas anders aus. Bill Clinton war US-Präsident, Helmut Kohl deutscher Kanzler, der Mauerfall war erst ein paar Jahre her. Weder war von der AfD noch vom IS-Terror die Rede. Heute ist die Europäische Union gespalten und im Prinzip handlungsunfähig, die Weltgemeinschaft versagt im Syrien-Konflikt. Eine düstere Gemengelage.
Göbel: Die Welt ist heute so komplex, wie sie wohl noch nie zuvor gewesen ist. Die EU beispielsweise, so sehr sie derzeit auch in der Kritik stehen mag, ist eine der wichtigsten Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte, weil sie uns über 60 Jahre Frieden und Wohlstand beschert hat. Mit Blick auf den Brexit muss die EU nun schauen, wie sie sich arrangiert. Vor allem die Flüchtlingskrise hat gezeigt, wo ihre Schwächen liegen. Die EU ist zurück in Kleinstaaterei verfallen.

Beängstigt Sie diese Entwicklung?
Göbel: Die Komplexität macht mir keine Angst. Sie ist eine Herausforderung. Ich bringe mich in diesen Prozess ein, wenn auch nur im Kleinen, und versuche, mit meiner Stimme etwas zu bewegen.
Bätz: Die Flüchtlingspolitik ist das alles dominierende Thema. Wenn sich in der EU wirklich alle spinnefeind und uneinig wären, dann wäre die Gemeinschaft schon zerbrochen. Da wird sehr viel Schwarzmalerei betrieben. Ich bin optimistisch, dass es gut weitergehen wird, auch wenn die Briten jetzt ausgestiegen sind. Denen wird gerade klar, dass das keine gute Idee war. Ich denke, dass wir trotz irrer Populisten wie einem Donald Trump viel optimistischer in die Zukunft blicken können, als es den Anschein hat. Ein Bernie Sanders hat gezeigt, dass sich auch die USA wandelt und soziale Themen dort längst kein Tabu mehr sind.

Die AfD eilt zum Leidwesen der etablierten Parteien von Wahlsieg zu Wahlsieg. Ludwigshafen ist in Rheinland-Pfalz eine Hochburg. Warum?
Göbel: Die AfD wird von vielen Leuten aus Protest gewählt, die sich von der Politik nicht verstanden und nicht abgeholt fühlen. Da muss man sich auch an die eigene Nase fassen und sich fragen: Hört man den Menschen richtig zu? Kennen wir ihre Ängste und Bedürfnisse? Bei diesen Menschen hat die AfD als Protestvehikel die Tonlage zuletzt wohl besser getroffen. Das muss man sehr ernst nehmen und in diesen Bereichen besser werden. Politischen Inhalten muss man mit Argumenten begegnen. Diese Partei stellt die Welt viel einfacher dar, als sie tatsächlich ist. Das ist zwar schwierig: Aber in diesem Wettstreit müssen sich alle Parteien profilieren, die Positionen der AfD widerlegen und schauen, Protestwähler wieder zurückzugewinnen.
Bätz: Die Kanzlerin und Peer Steinrück haben es während der Finanzkrise geschafft, vor laufender Kamera zu garantieren, dass die Renten und Spareinlagen sicher sind. Wären Sigmar Gabriel und Angela Merkel mit Blick auf die Flüchtlingskrise gemeinsam vor die Kamera getreten und hätten gesagt, dass keiner Verlustängste haben muss, hätte dies seine Wirkung nicht verfehlt. Es war ein Fehler von Union und SPD, diesen Schritt nicht gemeinsam zu gehen. Damit hätte man der AfD sehr viel Wind aus den Segeln nehmen können. Der AfD gelingt es derzeit leider sehr gut, Abstiegsängste zu schüren.
Göbel: Allerdings muss man mit Blick auf Ludwigshafen sagen, dass es wenige Großstädte gibt, in denen die Flüchtlingskrise so gut geregelt wurde. Das ist sehr geordnet und strukturiert abgelaufen. Dennoch hat die AfD hier starken Zulauf. Das muss uns allen zu denken geben.

Die AfD profitiert von großen Koalitionen. SPD und CDU unterscheiden sich kaum noch. Wie ist das in Ludwigshafen, wo ja auch die Etablierten, also Rot und Schwarz, regieren?
Göbel: Bei der Ansiedlungspolitik von Firmen und der Wohnraumpolitik hat die CDU ein starkes Profil und unterscheidet sich von der SPD. Wir wollen Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen, auch für jene, die die Haushaltslage entlasten und mit ihren Einkommen zum Erhalt der Stadtgesellschaft beitragen.
Bätz: Die SPD engagiert sich mehr im integrationspolitischen Raum und hat eine andere Zielgruppe als die CDU: eher Menschen mit mittleren und geringeren Einkommen.

Klingt nach Rot-Rot-Grün bei der Bundestagswahl: Herr Bätz, diese Konstellation wäre eine Option, …
Bätz: … weil die SPD damit einen größeren Teil der Sozialthemen, die sie setzt, besser durchbringen würde als mit der CDU. Etwa den Mindestlohn – und zwar ohne Einschränkungen.

Herr Göbel, CDU-Wunschpartner in Berlin wäre bei einem Wahlsieg …
Göbel: … die FDP.

Interview: Steffen Gierescher

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