Gastbeitrag von Maximilian Göbel im Blog der Gesellschaft für Finanz- und Haushaltspolitik e.V. (DGFHP)

Ludwigshafen am Rhein – Gastbeitrag von Maximilian Göbel.

Das Internet bietet der Gesellschaft neue Möglichkeiten wie auch der Wirtschaft. Technologien und Technik ersetzen längst nicht mehr nur den Mensch als Arbeitskraft, sie werden auch immer intelligenter miteinander vernetzt. Diese Vernetzung von verschiedenen Systemen und IT wird als Industrie 4.0, als die vierte industrielle Revolution bezeichnet.

Insbesondere für die Wirtschaft birgt Industrie 4.0 enorme Wettbewerbsvorteile. Daher brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen für die vierte industrielle Revolution.

Von der ersten bis zur vierten industriellen Revolution

Die erste industrielle Revolution bezeichnet den Wandel der Agrargesellschaft hin zur Industriegesellschaft Ende des 18. Jahrhunderts. Der Niedergang der traditionellen, durch Landwirtschaft und Handwerk geprägten Arbeitswelt war maßgeblich getrieben durch die zahlreichen neuen technischen Erfindungen.

Sie öffneten den Weg zur industriellen Massenproduktion und veränderte die Lebenswelt der Menschen in ungeahnter Weise.

Durch die weitere Unterstützung der arbeitsteiligen Massenproduktion mit elektrischer Energie, mündete der Fortschritt der ersten und zweiten industriellen Revolution in den 1970er Jahren in die heutige dritte industrielle Revolution. Der weitere Einsatz von Elektronik und Informationstechnologie (IT) trieb die Automatisierung der Produktion weiter voran und steuernde Aufgaben konnten zum Teil von Maschinen übernommen werden.


Industrie 4.0: Hoher Vernetzungsgrad verschiedener Systeme

Mit den Entwicklungen im Bereich des Internets der Dinge, Daten und Dienste und dem Einzug dieser in die Produktion, befinden wir uns heute auf dem Weg in das vierte industrielle Zeitalter. Als die vierte industrielle Revolution, die Industrie 4.0, werden Prozesse, Lösungen und Technologien bezeichnet, die einen hohen Einsatz von IT mit hohem Vernetzungsgrad verschiedener Systemen aufweisen. Industrie 4.0 schafft so Möglichkeiten und Instrumente in den Bereichen Produktion und Vermarktung, insbesondere auch für deutsche Unternehmen. Damit wird sie zukünftig zur globalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft maßgeblich beitragen.

Technik, Mensch und Organisation

Die Industrie 4.0 beschränkt sich jedoch nicht nur auf den reinen Einsatz von Technologie, sondern beschreibt vielmehr den flächendeckenden Einsatz von IT und intelligenten Objekten (Cyber Physical Systems) in Produktionsprozessen. Sie ist als ein ganzheitliches System, bestehend aus Technik, Mensch und Organisation, zu verstehen. Sie verbindet die virtuelle und reale Fertigungswelt und schließt die wechselseitige, drahtlose Kommunikation intelligenter Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel ein.

Somit ergeben sich ganz neue Möglichkeiten hinsichtlich eines ganzheitlichen Engineerings und auch des Lebenszyklusmanagements von Produkten. Damit trägt die Industrie 4.0 dazu bei, komplexe technische Prozesse sicherer, handhabbarer, einfacher und nicht zuletzt auch schneller und kosteneffizienter zu gestalten. Die flächendeckende Vernetzung trägt dazu bei, mit neuen, intelligent miteinander kommunizierenden Technologien mehr Selbstorganisation und Autonomie des Einzelnen zu ermöglichen – und das ortsunabhängig, alters- und bedarfsgerecht.

Mensch als kreativer Schöpfer im veränderten Arbeitsumfeld

Die Industrie 4.0 birgt allerdings auch Risiken hinsichtlich ihrer Akzeptanz. Die Einführung neuer weitreichender Technologien könnte eine mögliche Neudefinition des Arbeitsbegriffs nach sich ziehen und umfassende gesellschaftliche Veränderungen auslösen. Hierbei ist die Rolle des Menschen im Produktionsprozess eine völlig andere. Die Automatisierung schreitet voran, sodass die Produktion in immer kleineren Serien hin zur Losgröße 1 möglich wird.

Dennoch wird es nicht so sein, dass durch die Industrie 4.0 der Mensch „abgeschafft“ wird. Vielmehr wird er zum Träger von Entscheidungen. Die Aufgaben von Produktions- und Wissensmitarbeitern werden weiter zusammenwachsen. Insbesondere Produktionsarbeiter werden vermehrt auch Aufgaben der Produktentwicklung übernehmen müssen.

Bediener wird zum Regulierer

Somit werden neue und andersartige Herausforderungen künftig an den Menschen und seine Fähigkeiten gestellt. Dabei wird er sich in einem sich ständig verändernden Arbeitsumfeld mit komplexer werdenden Werkzeugen und Systemen wiederfinden. Die sich hieraus ergebenden Ansprüche an die individuellen Fähigkeiten und das Wissen der Beschäftigten stellen für jeden Einzelnen große Herausforderungen dar. Der Beschäftigte wird seine Rolle als Bediener von Produktionsanlangen wandeln hin zum Steuernden und Regulierenden. Er wird mit der zunehmenden Komplexität der Produktionsprozesse zurechtkommen müssen, wobei ihm hierbei ein hohes Maß an Autonomie zukommt. Seine Rolle wird durch dezentrale Führungs- und Steuerungsformen sowie einer neuen, kollaborativen Arbeitsorganisation unterstützt.

Die neuen Produktionsprozesse erfordern eine zielgerichtete und systematische Flexibilität der Mitarbeiter. Somit müssen diese umfangreich qualifiziert werden und das kurzfristig und „on-the-job“. Die Industrie 4.0 wird somit nicht wie häufig befürchtet zu einer neuen Form des Taylorismus führen, also einer extrem monoton-arbeitsteiligen und repetitiven Wertschöpfung, vielmehr wird der Arbeitende zum kreativen Schöpfer in einer partizipativen Arbeitswelt. Zumal bis zur vollständigen Autonomie dezentraler und sich selbst steuernder Objekte in der Produktion noch einiges an Zeit vergehen wird.

Industrie 4.0 als Motor wirtschaftlicher Entwicklung

Nach einer BITKOM-Befragung ist die Bedeutung der Industrie 4.0 für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sehr hoch. Das Wettbewerbsumfeld in dem sich deutsche Unternehmen bewegen ist von einer wachsenden Dynamik und wachsendem Wettbewerbsdruck geprägt. Im internationalen Vergleich des Themas Industrie 4.0 scheint sich die deutsche Industrie derzeit in der Spitzengruppe zu befinden. Die steigende Komplexität der Produkte und immer schnelleren Entwicklungs- und Innovationszyklen stellen nicht nur für die deutschen Unternehmen eine große Herausforderung dar.

Auch die Politik scheint die Zeichen der Zeit erkannt zu haben, wie kürzlich auf dem nationalen IT-Gipfel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie gesehen. Die deutsche Bundesregierung adressiert in ihrer „digitalen Agenda“ einige wichtige Punkte um den Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb zu stärken.

Wirtschaftliches Potenzial: 78 Mrd. Euro bis 2015

Die Wertschöpfungs- und Wachstumspotenziale durch die Veränderungen der Industrie 4.0 sind für Deutschland sehr groß.

Nach BITKOM-Berechnung wird allein für die sechs Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik, Automobilbau, chemische Industrie, Landwirtschaft und Informations- und Kommunikationstechnologie ein zusätzliches Wertschöpfungspotenzial von 78 Milliarden Euro bis 2025 durch Industrie 4.0-Technologien erwartet.

Vor allem in den für die deutsche Wirtschaft so bedeutsamen Branchen wie denen des Maschinenbaus oder auch Automobilbaus können durch die Transformation der Industrielandschaft profitieren. Es sind jedoch nicht nur die Wachstumschancen von denen Deutschland profitieren könnte. Die Industrie 4.0 könnte als ein wesentlicher Treiber zum Erhalt und Ausbau der deutschen Wettbewerbsfähigkeit dienen.

Herausforderung: Verlässliche Rahmenbedingungen schaffen

Aus dem massiven Einfluss der Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Industriegesellschaft ergeben sich besondere Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Dabei handelt es sich nicht nur um die offensichtlichen Erfordernisse der Digitalisierung, sondern auch um sich daraus ergebende Aspekte:

  • Ein qualitativ hochwertiges und ausfallsicheres Superbreitband-Internet mit niedrigen Latenzzeiten und hohen Resilienzen im gesamten Land ermöglichen;
  • Unternehmen durch gezielte Förderungen dabei unterstützen, durch ständige Innovationen die Prozesse und Produkte entsprechend weiterzuentwickeln;
  • eine hochwertige Forschung an den relevanten Technologien verstärkt fördern;
  • ein hohes Ausbildungsniveau an Hochschulen und in Betrieben, insbesondere im Bereich der Informationstechnologie garantieren;
  • Regeln und Standards für schnelle und schnittstellenfreie Kommunikation und Interoperabilität schaffen;
  • verstärkte Anstrengungen für einen umfassenden Datenschutz und eine hohe Datensicherheit unternehmen;
  • klare rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, insbesondere bezüglich Haftungsfragen.


Deutschland muss die Chancen der Digitalisierung nutzen

Wenn Deutschland weiter Vorreiter in der Produktionstechnik sein und die Chancen der digitalen Transformation nutzen möchte, so sind schnelle Reaktionen aller Beteiligten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und der Gesellschaft geboten. Aus diesem Grund fällt dem Staat eine besondere Rolle zu, da er den industriellen Wandel aktiv mitgestalten und durch eine zielgerichtete Politik die notwendigen Rahmenbedingungen sicherstellen kann.

Als größter Nachfrager kann die öffentliche Hand zudem Trends entscheidend treiben und beschleunigen. Die vierte industrielle Revolution wird die Gesellschaft und das Arbeitsleben tiefgreifend verändern. Zwar wird sich die Veränderung in ihrer Art revolutionär entfalten, hängt jedoch auch maßgeblich von der Schaffung förderlicher Rahmenbedingungen ab.

Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand sichern

Deutschland sollte Impulsgeber der Digitalisierung sein und die damit verbundenen Chancen nutzen um die Wettbewerbsfähigkeit und den künftigen Wohlstand sicherzustellen. Letztlich ist eine starke Industrie Wachstumsmotor und damit auch das Rückgrat der europäischen Wirtschaft.

Maximilian Göbel, Jahrgang 1991, studiert Wirtschaftsingenieurswesen am KIT und ist Kreisvorsitzender der Jungen Union Ludwigshafen. Er ist zudem Vorsitzender des gleichnamigen Arbeitskreises sowie stellvertretendes bürgerschaftliches Mitglied im Umweltausschuss des Stadtrates.
Maximilian Göbel auf Twitter: @MaxGoebel


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